Rückabwicklung von Lebensversicherungen
 
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Rechtlicher Hintergrund

Die Lebensversicherung und Rentenversicherung ist eine der wichtigsten Formen der privaten Altersvorsorge. Bis Ende 2016 bestanden knapp 90 Millionen Verträge bei Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen und Pensionsfonds, aus denen allein 2016 etwa 90 Milliarden Euro an Beitragseinnahmen generiert wurden[1]. Bis in die `90er Jahre entfielen über 80 % der Beitragszahlungen auf klassische kapitalbildende Lebensversicherungen. Aufgrund der Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen nahm der Anteil der Rentenversicherungsverträge jedoch deutlich zu und macht heute unter Berücksichtigung von Kollektivversicherungen und fondsgebundenen Policen zwei Drittel des Prämienvolumens aus.

Nach Einführung der EU-Richtlinie Solvabilität II im Jahr 2016 sind die Versicherer unter Druck geraten. Die Situation wird durch das anhaltende Niedrigzinsniveau verstärkt. Die unterschiedliche Struktur der Verträge wie auch die derzeitige Zinslage führen dazu, dass die Versicherungswirtschaft ihre Anlagestrategie nicht mehr sicher planen kann.

Zur Beseitigung dieser Situation haben bereits einige Lebensversicherungen das Altgeschäft vom Neugeschäft ausgelagert („Run-Off“). Garantieprodukte werden heute kaum noch vertrieben. Bei Verträgen, die in den 2000er Jahren abgeschlossen wurden und mit geringeren Garantiesätzen von bis zu 1,75 % p.a. verbunden sind, ist daher nur noch mit geringen oder keinen Überschüssen zu rechnen. Bei anhaltender Situation könnten möglicherweise auch die Garantien nicht mehr eingehalten werden. Jedenfalls aber dürften diese Verträge bei länger anhaltendem Niedrigzinsniveau weiterhin negative Renditen erzielen. Die Versicherungswirtschaft rechnet daher mit einer erhöhten Stornoquote.

Alternativ zu einer Kündigung besteht die Möglichkeit, den Vertrag durch Widerspruch, Rücktritt oder Widerruf rückabzuwickeln. Für Verträge, die zwischen 1991 und Juli 1994 abgeschlossen wurden, bestand ein Widerrufsrecht. Die gesetzliche Regelung enthielt zwar keine formellen Anforderungen an die Gestaltung der Belehrung. Der Bundesgerichtshof hat aber mit Urteil vom 28.01.2004 – IV ZR 58/03 – entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung so gestaltet sein müsse, dass der Versicherungsnehmer von dieser auch Notiz nehmen könne. Sofern die Belehrung optisch nicht hinreichend deutlich gestaltet ist, kommt eine Rückabwicklung grundsätzlich also auch heute noch in Betracht. Rechtsfolge eines Widerrufs ist die Rückzahlung der eingezahlten Beiträge ohne Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten sowie die Herausgabe von Nutzungen, die der Versicherer mit den Sparbeiträgen und aus den Verwaltungskosten erzielt hat. Lediglich die Kosten für den genossenen Versicherungsschutz sind in Abzug zu bringen. Diese Altverträge haben – wie oben dargestellt – in der Regel jedoch einen hohen Garantiezins und sind steuerlich begünstigt. Ob eine Rückabwicklung dieser Verträge zweckmäßig ist, wird daher im Wesentlichen von der Wirtschaftlichkeit abhängen.

Für Verträge, die zwischen dem 28.07.1994 und dem 31.12.2007 abgeschlossen wurden, sah das Gesetz ein Widerspruchs- bzw. ein Rücktrittsrecht vor – je nachdem, ob dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung sämtliche Verbraucherinformationen vorlagen oder nicht. Die gesetzlich geregelte zeitliche Beschränkung dieser Rückabwicklungsrechte auf ein Jahr gilt nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11) jedoch dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht belehrt worden ist oder dem Versicherungsnehmer die Verbraucherinformationen nicht oder nicht vollständig ausgehändigt wurden. In diesem Fall besteht das Widerspruchsrecht bzw. das Rücktrittsrecht auch heute noch. Rechtsfolge ist auch hier die Rückzahlung der bislang gezahlten Beiträge abzüglich der Kosten für den Versicherungsschutz zzgl. der vom Versicherer gezogenen Nutzungen. Jedenfalls für die Verträge mit einem geringeren Garantiezins dürfte sich diese Möglichkeit gegenüber einer Kündigung als günstiger darstellen.

2008 schließlich hat der Gesetzgeber ein einheitliches Widerrufsrecht eingeführt. Rechtsfolge ist hier – je nachdem, was günstiger für den Versicherungsnehmer ausfällt – grundsätzlich die Rückzahlung der Beiträge oder die Auszahlung des Rückkaufswerts ohne Abzug von Abschluss- und Vertriebskosten.

[1] GDV, Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen 2017, S. 6

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