Rückabwicklung von Lebensversicherungen
 
Mehrzahl der Lebensversicherungsgesellschaften sind wirtschaftlich schwach

Mehrzahl der Lebensversicherungsgesellschaften sind wirtschaftlich schwach

Die wohl verbreitetste Form der Kapitalanlage und Altersvorsorge Deutschlands hat auch weiterhin zunehmend mit Problemen zu kämpfen.

Erst im Juni 2018 wurde bekannt, dass nach einem Bericht der BaFin 34 von insgesamt 87 Lebensversicherern in Deutschland unter „intensivierter Aufsicht“ stünden, weil mittel- bis langfristig finanzielle Schwierigkeiten befürchtet würden. Nun berichtet das Handelsblatt, dass einer Studie des Instituts für Finanzwirtschaft der Hochschule Ludwigshafen zufolge nur drei Lebensversicherer als wirtschaftlich „sehr stark“ (Allianz LebensversicherunG AG, R+V Versicherung und Zurich /Deutscher Herold Lebensversicherung AG) zu beurteilen seien. Eine der Hauptursachen für diese Situation ist das anhaltende Niedrigzinsniveau. Versicherer sind verpflichtet, die Sparbeiträge überwiegend festverzinslich anzulegen. In dem Niedrigzinsumfeld ist es auf diese Weise allerdings nicht möglich, die versprochenen Zinsen zu erwirtschaften.

In der Folge gehen die Versicherer unterschiedlich mit dieser Situation um. So kürzen einige Versicherer die Bewertungsreserven, was der Bundesgerichtshof erst kürzlich als rechtmäßig beurteilt hat (Urt. v. 27.06.2018 – IV ZR 2017/17). Einige Versicherer senken bei Rentenversicherungen die ursprünglich kommunizierten Rentenfaktoren. Wiederum andere Lebensversicherer wie beispielsweise die Generali stoßen das gesamte Lebensversicherungsgeschäft ab. So wurde der etwa vier Millionen Kunden umfassende Bestand an Viridium, eine Abwicklungsgesellschaft veräußert werden. Auch wenn sich nach Angaben der Versicherer für den Kunden bis auf den Ansprechpartner nichts ändern soll, bleiben Fragen hinsichtlich der Transparenz, welche Vermögenswerte transferiert werden, wie auch der daraus folgenden Konsequenzen offen.

Vor diesem Hintergrund sind Zweifel angebracht, ob die ehemals als Altersvorsorge gedachte Kapitalanlage ihren Zweck überhaupt noch erfüllen kann. Kunden, die mit sich mit dem Gedanken einer Kündigung beschäftigen, sollten jedenfalls auch die Möglichkeit einer Rückabwicklung durch Widerruf bzw. Widerspruch oder Rücktritt prüfen lassen. Die Rückabwicklung bietet in der Regel einen wesentlichen Mehrwert gegenüber einer bloßen Kündigung. Ob ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag rückabwickelbar ist, hängt von diversen Umständen ab, die durch einen qualifizierten Rechtsanwalt geprüft werden sollten. So bestehen Möglichkeiten nicht nur für Verträge, die zwischen 1995 und 2007 abgeschlossen worden sind. Vielmehr sind auch Verträge, die zwischen 1992 und 1994 oder nach 2008 abgeschlossen wurden, widerrufbar, sofern die Belehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.

Für Verträge, die nach dem 17.12.1990 abgeschlossen wurden, besteht ein Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 VVG a.F. Da die gesetzliche Regelung hier keine besonderen Vorgaben enthält, kommt es für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit im Regelfall darauf an, ob die Belehrung hinreichend deutlich gestaltet ist.

Ab dem 01.01.1995 galt für Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die nach dem sog. „Policenmodell“ (Aushändigung der Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erst bei Überlassen des Versicherungsscheins) ein Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. Diese Regelung enthielt hinsichtlich der Gestaltung und des Inhalts der Belehrung bereits Vorgaben, die häufig nicht beachtet wurden. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2014 entschieden, dass das Widerspruchsrecht im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung grundsätzlich auch heute noch, selbst im Falle einer bereits vollzogenen Kündigung, fortbesteht. Eingeschränkt wird dies lediglich in Ausnahmefällen, beispielsweise wenn die vertraglichen Rechte zur Sicherheit an eine Bank abgetreten wurden.

Aber auch für Verträge, die im sog. „Antragsmodell“ (vollständige Aushändigung der Versicherungsbedingungen und weiteren Verbraucherinformationen) zustande gekommen sind, kann auch heute noch ein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F. bestehen. Auch wenn die gesetzliche Regelung hier keine besonderen Anforderungen für die Belehrung enthält, muss diese jedoch so gestaltet sein, dass diese auch wahrgenommen werden kann. Darüber hinaus ist in diesen Fällen zu prüfen, ob die Verbraucherinformationen bei Antragstellung auch tatsächlich vollständig ausgehändigt wurden. Der Bundesgerichtshof hat hier entschieden, dass bei Fehlen auch nur einer Teilinformation grundsätzlich die Regelungen zum Policenmodell anwendbar seien, also ein Widerspruchsrecht bestehe. In diesem Fall fehlt es allerdings in der Regel an einer entsprechenden Belehrung.

Seit dem 01.01.2008 besteht nunmehr ein einheitliches Widerrufsrecht nach § 8 VVG. Sofern eine Zustimmung zum vorläufigen Versicherungsschutz erklärt wurde, hat ein Widerruf grundsätzlich die Rückzahlung des Rückkaufswerts zur Folge. Auch wenn es dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen ist, stellt sich ein Widerruf jedoch gegenüber einer Kündigung insoweit als vorteilhafter dar, als die Abschluss- und Vertriebskosten nicht in Abzug gebracht werden dürfen. Sofern keine Belehrung erteilt oder aber keine Zustimmung zum vorläufigen Versicherungsschutz erklärt wurde, hat ein Widerruf indes sogar die vollständige Rückabwicklung – also die Erstattung der Beiträge und die Herausgabe der gezogenen Nutzungen – zur Folge. Auch bei Lebens- und Rentenversicherungsverträgen, die nach 2008 abgeschlossen wurden, kann sich ein Widerruf also lohnen.

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